Katholische Presseagentur Österreich berichtet über 2. Kardinal König-Gespräch

Veröffentlichungsdatum01.09.2009Lesedauer5 MinutenKategorienKardinal König-Gespräche
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Auch die Katpress berichtet in ihrer neuesten Ausgabe über das 2. Kardinal König-Gespräch, welches am letzten August-Wochenende in Kirchberg an der Pielach stattgefunden hat.

Nachstehend der Originaltext des vom Publizist und Vize-präsident der "Kardinal König-Stiftung", Prof. Heinz Nußbaumer, verfassten Artikels, welcher der Katpress als Grundlage für ihren Bericht diente:

Einen für Österreich wohl einmaligen Gesprächsprozess über existentielle Lebensfragen wagten die Gemeinden des niederösterreichischen Pielachtales – die engere Heimat des 2004 verstorbenen Kardinals Franz König – in den vergangen Monaten. Er fand am Wochenende unter starker Beteiligung der Bevölkerung in den diesjährigen „Kardinal König-Gesprächen“ seinen Höhepunkt.

Mehr als 250 Menschen kamen Samstagabend in die „Kirchberghalle“ in Kirchberg an der Pielach, wo das Ergebnis ihres Mitdenkens und Mitredens vorgelegt wurde. Unter dem Motto „Was erwarte ich mir vom Leben – ein Tal denkt nach, ein Tal denkt vor“ waren den Bewohner von sieben Gemeinden bei einer Auftaktveranstaltung im vergangenen März (im benachbarten Rabenstein) vier zentrale Gesprächsthemen vorgelegt worden: „Familie: Idylle oder Albtraum?“, „Arbeitswelt, Freizeit, Soziales Engagement: Hackeln und sonst nichts?“, „Jugend: Spaß ohne Ende?“ und „Älterer Mensch: Nur noch altes Eisen?“ In zahlreichen Gesprächskreisen wurde seither darüber leidenschaftlich – und eindrucksvoll konkret und mutig – diskutiert. Menschen aus allen Lebensschichten und Altersgruppen hatten daran teilgenommen.

Bei der Festveranstaltung in Kirchberg – ursprünglich als Abschluss der Gesprächsrunden gedacht – war bald klar, dass der nun begonnene Dialogprozess der Pielachtaler („eine Königs-Idee“) auf Wunsch der Beteiligten auch in den kommenden Monaten weitergehen soll. Der Publizist und Vizepräsident der „Kardinal König Stiftung“, Prof. Heinz Nußbaumer unterstrich einleitend noch einmal die zentralen Motive dieses Gesprächsprozesses: Es gehe vor allem darum, „das Wesentliche unseres Lebens nicht von den Geröllmassen unseres Alltags verschütten zulassen“ sowie um die „Entdeckung des Anderen - und im Anderen einen Teil des eigenen Ichs“. Darüberhinaus habe sich „das Miteinander-ins-Gespräch-Kommen für viele Teilnehmer zuletzt als beglückend und bereichernd erwiesen“.

Vertreter der einzelnen Gesprächskreise legten anschließend eine komprimierte Bilanz ihrer zentralen Sorgen und Fragestellungen vor:

Bei der Jugend waren es u.a.: Die Grenzen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung. Die Suche nach Vorbildern. Der Druck der Gruppe, der Eltern, des Computers und Internets… Die Reizüberflutung durch Medien und Freizeitangebote. Und die Berufssorgen angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise.

Beim Thema „Familie“ ging es vor allem um die Wertkonflikte von Männer und Frauen, von Jungen und Alten. Um die seelische Einsamkeit und die Sehnsucht nach Anerkennung – auch in Partnerschaft und Familie. Um die Zerrissenheit der Frauen zwischen Familie und Beruf. Um die Suche der Männer nach einem zeitgemäßen Rollenbild. Um die Spannung zwischen der ersehnten Geborgenheit und der Last jeder Bindung. Um die Ängste vor einer Familiengründung und vor bewusster Elternschaft. Und um den täglichen Umgang mit fremden und eigenen Defiziten. Die Kirche wurde dabei wegen ihres „kränkenden Umgangs mit Geschiedenen und Wiederverheirateten“ kritisiert.

In den Gesprächen über Beruf und Freizeit wären aus vielen Wortmeldungen ähnliche Sorgen erkennbar: Der Leistungsstress im Schatten von Wirtschaftskrise und Globalisierung. Der verstärkte berufliche Druck bei weniger Arbeit – psychisch und materiell. Das Verschwimmen von Arbeit und Freizeit durch Heimarbeit - und den damit verbundenen Verlust von Privatsphäre. Die Materialisierung der gesamten - und die Schattenseiten einer neuen Freizeitkultur.

Berührend auch die Berichte der Älteren: Ihr Schmerz, dass die gemachten Erfahrungen nicht mehr gefragt sind. Ihre Schwierigkeit, aus dem lange gewohnten Leistungsdenken auszusteigen. Ihr Wunsch nach gleitenden Übergängen – und neuen Feldern der Bewährung. Ihre Irritation über die technischen Veränderungen, die letztlich zum Monopol der Jugend zu werden scheine. Ihre Angst vor schwindenden Kräften und Möglichkeiten – und vor dem Loslassen. Ihre verbreitete Verlassenheit und Leere – und die Sehnsucht nach Kontakt mit Jüngeren. Und ihr Ringen vor dem Lebensende – verschärft durch einen verbreiteten Verlust an Jenseitsglauben.

In seinem Grundsatzreferat versuchte der Theologe, Psychoanalytiker und Autor Arnold Mettnitzer („Couch und Altar“) viele der Fragen aufzugreifen und die großen gesellschaftlichen Perspektiven der kommenden Jahrzehnte zu bündeln. Die Zukunftsforschung erwarte ein „Jahrhundert der Frauen“ – samt Identitätskrise der Männer, „weil sie jene Frauen, die für ihre Karriere und ihre Kinder sorgen, nicht mehr finden werden“. Klar erkennbar sei auch ein „Jahrhundert der Älteren“ – und eine Neubewertung von Erfahrung, Orientierung – und Kaufkraft. Die großen Institutionen (Staat, Kirchen u.a.) müssten sich auch auf ein „Jahrhundert der Individualisierung“ vorbereiten, das mit der polemischen Punze der „Ich-AG“ nur unzureichend beschrieben sei. Als „Drehbuchschreiber des eigenen Lebens“ würden die Menschen künftig weit öfter als bisher ihre beruflichen und privaten Wahlmöglichkeiten nützen – mit mehr bewussten Neuorientierungen als bisher.

Nachdrücklich unterstrich Arnold Mettnitzer die Leistung der Pielachtaler, in einer Zeit wachsender Unverbindlichkeit so intensiv aufeinander zuzugehen. Die beste Antwort auf viele gestellte Fragen sei jetzt eine noch besser und präziser gestellte Frage – also die Fortsetzung der Gespräche. Dass Glaubensfragen in den Diskussionen eher ausgeblendet blieben, erklärte Mettnitzer mit der „enormen Intimität und Tabuisierung des Themas“ – und empfahl den Zuhörern: „Rede nicht vom Glauben, wenn Du nicht gefragt wirst – aber lebe so, dass Du zum Glauben gefragt wirst“.

In einem Podiumsgespräch mit den Bürgermeistern und Pfarrern von Kirchberg und Rabenstein als Veranstalter der - im Vorjahr erstmals abgehaltenen - „Kardinal König Gespräche“ mit Dr. Annemarie Fenzl, der langjährigen Büroleiterin Kardinal Königs, Dr. Arnold Mettnitzer und Prof. Nußbaumer versprachen die politisch und kirchlich Verantwortlichen ein sorgsames Hinhören auf die jetzt aufgeworfenen Fragen. Der verstorbene Kardinal König – er war in Rabenstein geboren worden und in Kirchberg zur Schule gegangen – sei ein „Weltmeister des Zuhörens“ gewesen. Ihm gelte es nachzueifern, um neue, verantwortungsvolle Impulse für das Leben der Menschen in dieser Region zu finden. Dr. Annemarie Fenzl erinnerte in diesem Zusammenhang an die von Kardinal König wiederholt geäußerte Überzeugung, dass „auch die schönsten Worte nichts nützen, wenn ihnen nicht das gelebte ‚Beispiel der Tat‘ folge. Dies habe seine engere Heimat offenbar beispielhaft verstanden.

Das diesjährige „Kardinal König-Gespräch“ wurde mit einem Festgottesdienst in der Pfarrkirche Kirchberg und einem Festzug eingeleitet - und klang am Sonntag mit einem Kirchweihfest in der Andreaskirche – mit Blick auf das Geburtshaus des „größten Sohns des Pielachtales“ – aus.


Anmerkung:
Die Kardinal König-Gespräche werden im nächsten Jahr vorgesetzt werden und finden wieder am letzten Samstag im August 2010 - diesmal in Rabenstein an der Pielach als Austragungsort - statt.